Auf des Vaters Arm

Ein Weg aus der Stadt hinaus. Wiesen und Felder sind zu sehen. Der Tag ist schön. Auch ein Galgen auf einem Hügel. Daran ein Mensch.
Der Alte trägt sein Kind zum Brunnen
der Vorsatz ist es zu ertränken
der arme Mann sieht keine Wahl
er kann das Kind nicht mit ernähren.
Es sind schon zwölf an der Zahl
doch seine Münzen reichen kaum für zwei
bis jetzt bracht er's nicht übers Herz
doch diesmal soll das Kind nicht leben.
Da kommt ihm auf dem Weg der Herr entgegen
mit Milde bietet Gott das Amt des Paten
doch lehnt der Vater ab und sagt verdrossen:
du gibst den Reichen und lässt den Armen hungern.
Der Herr steht fassungslos und lässt ihn ziehn
der Arme flieht, die Nacht kommt übers Land
da sitzt der Teufel auf einem Baumstamm
Gevatter will er werden und bietets ihm auch an.
Gar grimmig schaut der Arme auf den Teufel
der lacht und scherzt und bittet um das Kind
doch brummt der Arme zum Verführer: betrügst die Menschen
dir will ich nimmer dienen und zieht dann einfach weiter.
Als schon der Morgen wieder graut
begegnet er dem Tod höchstselbst
der sitzt auf einem schwarzen Gaul
die Augen blitzen, das Gesicht ein Totempfahl.
Auch er empfiehlt sich für das Kind
der Arme zögert, doch der Tod hat Argumente
es soll dem Jungen später an nichts fehlen
und auch dem Menschen wird er nützlich sein.
Der arme Mann bedenkt es wohl
dann nickt er und sagt: so soll es sein
du bist der Tod, der alle gleich macht
das ist Gerechtigkeit, vielleicht die einzige.
So wurd der Tod Gevatter und auch
der Mann und seine Frau und auch
die andren Kinder, sie alle sollten etwas davon haben
von seiner Großmut und den guten Gaben.
Doch war es wirklich Großmut, die den Tod berief
immerhin: Gott und der Teufel sind brüskiert
sind das vielleicht nicht wahre Gründe
hat das den Tod nicht köstlich amüsiert?
Wo er doch selbst kaum je an etwas Anteil nimmt
tagein, tagaus nur seine Pflicht erfüllt
die Menschen vor den Thron zu bringen
das Urteil hat ihn dabei nie besonders interessiert.
Nur selten und das ist auch kein Geheimnis
da wollte es der Tod dann doch genauer wissen
da war der Schuft, der selbst die Freunde gern betrog
der Trinker, der seine Frau trieb an den Strick.
Dort warf der fahle Mann den Blick zurück
und sah den Teufel seine Hände reiben
beim breiten Strom an frischen Seelen
dem Kind auf Vaters Arm, die Zukunft anzuzeigen.
Auch sollte diesmal nicht geschehen, wie oft
nahm er die Frau schon nach den Wehen
und überließ das Neugeborne seinem Schicksal
das selbst Hartgesottne nicht verstehen.
Der Vater: Was treibt dich Tod?
Der Tod: Das Leben.
Der Vater: Als Tod?
Der Tod: Ohne das Leben keinen Tod. Man sagt ja, ich nehme keinen Anteil. Das aber ist ein Gerücht. Mich interessiert der Anfang allen Lebens, sein Ende ist mir kein Geheimnis mehr. Wenn dem Kinde nur kleine Chancen bleiben, da es dem Tode näher als dem, was eine Zukunft wäre. So will ich nun sehen, was in ihm schlummert. Das weckt bei mir die Neugier und Impulse. Da nehm ich Anteil als Gevatter. Nun, guter Mann, geh nach Haus und lege ihn in die Arme seiner Mutter.
Der Vater: Was ist das für eine Zukunft, die da auf ihn wartet?
Der Tod: Das wird man sehen. Noch ist sie nicht gestartet. Zuerst einmal, spar nicht an Liebe und an Bildung. Hier liegt bei vielen nämlich, die große Lebenstäuschung.
Der Vater dankt dem Tod, deutet eine Verneigung an und geht in Richtung Stadttor.
Ich hab dem Tod meinen Sohn als Gevatter gegeben
wo ich ihn doch habe ermorden wolln
ließ dafür den Herrn und den Teufel stehn
ich glaub, dass alles wird kein gutes Ende nehmen.
Meine Mutter sagte doch immer: Sohn, mit hohen Herrn
und Damen, da legt man sich nicht an, sei da klug
ihr Vermögen und die Macht, wie bekamen sie das denn?
ich sag es dir: Sie bekamen es durch Lug und Trug.
Doch wenn du, kleiner Mann, durch den Gevatter
einmal ein großer wirst, wird dich ähnliches ereilen?
Kann ich dir, trotz des Paten ein Vater sein
als Vorbild und Ratgeber dir gute Lektionen erteilen?
Nur darf er niemals erfahren, welche Tat ich an ihm
begehen wollt, meine Albträume werden ganz allein
mir zuteil, erst in den Feuern der Hölle bin ich dann
wieder heil.
© 2022 by Jan Schäf
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